Offroad-Abenteuer Gibb River Road

Anfangs Mai war es so weit und die berühmte Gibb River Road, Mutter aller Kiesstrassen, wurde durchgehend für den Verkehr geöffnet, was uns natürlich extrem freute und perfekt in unseren Reiseplan passte. Wir informierten uns im Visitor Centre und fanden überrascht heraus, dass wir in unserer Vorfreude ein wenig naiv gewesen waren, denn leider waren noch viele Sehenswürdigkeiten entlang der Strasse wegen der heftigsten Regensaison der letzten 25 Jahre geschlossen. Ausserdem wurde uns dringendst geraten zu dieser Jahreszeit mindestens einen zweiten Ersatzreifen mitzunehmen. Ein bisschen enttäuscht gingen wir also nochmals zu unserer Autovermietung um nach einem weiteren Ersatzrad zu fragen. Dort sagte man uns wohl aus Spargründen, dass die Gibb River Road noch nie ein Problem gewesen sei und ein Reifen genügen würde. So machten wir uns mit gemischten Gefühlen ohne weiteres Material, dafür aber mit Lebensmitteln für mehr als eine Woche auf den Weg nach Derby, der letzten”Stadt” vor der Gibb River Road.

In Derby versicherten wir uns nochmals im Visitor Centre, dass weiterhin alles geöffnet war. Eine nicht gerade arbeitsfreudige Angestellte riet uns, gleich bis zum Mt. Barnett Roadhouse in der Hälfte der Gibb River Road durchzufahren. Dies entspräche etwa vier Stunden Fahrzeit auf 300 km Kiesstrasse. Wir füllten also nochmals unsere zwei 90 Liter Dieseltanks randvoll und los ging das Offroad-Abenteuer.

Entgegen den Angaben des Visitor Centres war die Strasse sehr schlammig und ausgewaschen, wodurch sich die Fahrzeit von Broome bis unserem Tagesziel auf 9.5 Stunden verlängerte und wir erst nach Einbruch der Dunkelheit beim Roadhouse eintrafen, welches wir nach unserem Höllentrip zuerst verzweifelt für einen Bauernhof hielten. Nach der herzlichen Begrüssung des lustigen Camp Hosts und einer ruhigen Nacht im Bushcamp am Rande eines Wasserlochs wandte sich dann aber alles zum Besseren.

Ab durch die Krokodile auf dem Weg zu den Manning Falls
Manning Falls
Diese Echse musste mit uns das Wasser teilen

Da es erneut sehr heiss werden sollte, starteten wir relativ früh mit der Wanderung zu den Manning Falls. Gleich am Anfang des Tracks musste ein Naturpool schwimmend überquert werden, weil es noch zu viel Wasser im Bachbett hatte um die trockene Route zu begehen. Wir waren uns nicht ganz sicher, wie wir dieses Hindernis bewältigen sollten, vor allem, nachdem unsere Wanderkameraden (ein australisches Rentnerpaar) uns gesagt hatten, wir sollten keine Angst haben, es habe nur kleine Süsswasserkrokodile im Wasser, die seien ganz ungefährlich. Dies war unsere erste Begegnung mit Ian und Dalys, welche wir noch öfter antreffen sollten, was wir zu jenem Zeitpunkt aber natürlich noch nicht wussten. “Sollen wir euch zeigen, wie es geht?”, fragten sie und gingen samt Kleidern und Schuhen voran durchs Wasser.  Das fanden wir sehr beeindruckend, also folgten wir ihnen und liefen durch wunderschön blühende Blumenwiesen und rote Steinlandschaften zu den Manning Falls. Dort angekommen schwammen wir mit dem liebenswerten Rentnerpärchen im kühlen Pool unter dem Wasserfall und genossen die Ruhe und die Stimmung an diesem wunderschönen Ort.

Was für ein schönes Leseörtchen (Manning Gorge Campground)

Am Abend wollten wir uns beim Camp Host erkundigen, ob das Gerücht stimme, dass die Fahrt zu den Mitchell Falls bereits möglich sei. “It’s open, but it’s a very rough road, not like the Gibb River Road”, meinte dieser. Und schon wurde er von Ian unterbrochen, der vom WC aus zugehört hatte. Er sprach uns Mut zu: “Ja klar, mit eurem Toyota Landcruiser ist dies kein Problem! You should really give it a go”. Er komme auch bis nach Drysdale mit seinem australischen Super-Outback-Wohnwagen und werde dort fragen, ob er bis zum Mitchell Falls Nationalpark fahren dürfe. “Ja klar”, erwiderte der Host, “die werden es dir nicht verbieten.” “Also gut, dann sehen wir uns dort”, lachten wir.

Boab-Tree auf dem Manning Gorge campground

Bevor wir uns auf die Reise zur Drysdale River Station, quasi dem Base Camp auf dem Weg zu den Mitchell Falls machten, besuchten wir noch die Galvans Gorge, eine kleine grüne Oase, und konnten den Naturpool mit den Höhlenmalereien der Aborigines ganz für uns alleine geniessen. Nach einer ausgiebigen Dusche unter dem Wasserfall und mehreren Sprüngen ins Wasser war auch Janine bereit für die Weiterfahrt.

Galvans Gorge

In Drysdale angekommen tauschten wir mit Ian und Dalys Geschichten aus und erfuhren, dass sie unterwegs mitsamt ihrem Wohnwagen in einem Fluss stecken geblieben waren. Dies sei aber überhaupt kein Problem gewesen, denn sie hätten einfach ihre Seilwinde (die zur Standardausrüstung jedes richtigen Aussies gehört) um einen gegenüberliegenden Baum geschwungen uns sich wieder an Land gezogen. Wir blieben zum Glück vor solchen Abenteuern verschont, unser “Traktöörli” meisterte die Flussüberquerung wie immer wacker und ohne Probleme.

Querung des Drysdale River

Frühmorgens machten wir uns dann auf den Weg zum Mitchell Plateau, welcher mit einer 100 km langen, eher schlecht unterhaltenen Kiesstrasse begann. Danach kam die Abzweigung in Richtung Michell Nationalpark. Gleich als Anfangstest musste der King Edward River durchquert werden, welcher noch sehr viel Wasser führte. Glücklicherweise waren wir von den Locals in Drysdale instruiert worden, den Fluss in einer Bananenform nach links zu überqueren, da es dort ein bisschen weniger tief sei. Nach einigen bangen Sekunden fanden wir heraus, dass unsere Fahrertüren dicht sind und kein Wasser ins Innere des Fahrzeugs kommt. Nur die Aussenküche wurde ein bisschen mit Wasser gespült und der Motor wieder einmal gereinigt. Glück gehabt! Weiter ging es trockenen Fusses auf der immer schlechter werdenden Strasse, welche teilweise Felsbänder drin hatte, die sich anfühlten wie die Fahrt auf einer unebenen Treppe in die Bahnhofsunterführung hinunter. Für die letzten 80 km brauchten wir fast vier Stunden. Trotzdem war es eine wunderschöne Fahrt durch grüne Palmenwälder und auf unüblich kurviger Strasse durch verschiedene Canyons zum Ziel, wo uns kurz vor der Einfahrt auf den Campingplatz Ian und Dalys mit ihrem Wohnwagen überholten. Wir schauten ziemlich “blöd aus der Wäsche”, denn wir hatten es zwischenzeitlich nicht mehr für möglich gehalten, dass diese Strasse mit einem Anhänger zu befahren ist. Ian erklärte uns, dass sein Wohnwagen diese Strecke problemlos meistere, da dieser ja immer dem Auto folge. Aha, irgendwie logisch. “You know, it’s built for that!” Das mag ja schon stimmen, da der Wagen wirklich für diese Bedingungen gebaut zu sein scheint, trotzdem war es bestimmt nicht ganz einfach und einige losgerüttelte Schrauben haben die beiden dann doch im Wohnwageninnern gefunden. Wir schlussfolgerten, dass Ian entweder ein Meister seines Fachs oder ein richtiger Draufgänger sein muss. Respekt!

Schild vor der Strasse zu den Mitchell Falls
Palmenwald so weit das Auge reicht

Auf dem Weg zu den Mitchel Falls trafen wir ausser einem Spezial-Lastwagen, der Kerosin für Helikopter transportierte, kein einziges Auto an. Zehntausend Liter Kerosin habe er geladen und fahre diese Strecke bereits seit 20 Jahren, erklärte der Chauffeur. Wir fragten ihn, ob sich denn so ein Heliflug lohne? Er meinte nur, es müsse schon spektakulär sein, wenn man sich die Lieferkosten des Treibstoffes vorstelle mit vier Tagen Lastwagenfahrt pro Lieferung. Kaum zu glauben, aber auf dem Campingplatz mitten im Nationalpark gab es wirklich ein Helipad, von welchem aus Touristen zu den Wasserfällen geflogen wurden. Wir bevorzugten – nicht nur aus Budgetgründen – trotzdem die knapp acht Kilometer lange Wanderung.

Voller Vorfreude brachen wir am nächsten Tag auf, um die spektakulären Mitchell Falls von Nahem zu erleben. Am Weg befinden sich noch weitere Sehenswürdigkeiten wie die Little und die Big Mertens Falls, welche an sich schon ein sehr lohnenswertes Wanderziel sind. Nach den spektakulären Klippen der Big Mertens Falls und interessanten Höhlenmalereien entlang des wunderschön angelegten Wanderwegs durch den Nationalpark standen wir plötzlich vor einem Schild, welches erklärte, dass der Weg von hier an geschlossen sei, da der Fluss für die Querung noch zu viel Wasser führe. Neben der Tafel war auch gleich das Helipad für die Flussüberquerung, welche für 90 Dollar angeboten wurde. Ziemlich viel Geld für einen nicht einmal eine Minute dauernden Heliflug. Wir schauten uns nochmals ungläubig um und sahen bereits einige andere Leute, die nach einem möglichen Weg durch den Fluss Ausschau hielten. Wir schlossen auf, verpackten alle Wertsachen in den Trockensack, überquerten abenteuerlich den Fluss an einer geeigneten Stelle und halfen Ian und Dalys ebenfalls hinüber. Bald darauf standen wir vor den imposanten vier von roten Felsen eingerahmten Kaskaden. Dieser Anblick war etwas vom Eindrücklichsten, was wir je gesehen haben. Wie diese anscheindend seit 25 Jahren nicht mehr so grossen Wassermassen in die Tiefe donnerten, war wirklich atemberaubend!

Unser Infinity-Pool am Little Mertens Creek
Big Mertens Falls
Mitchell Falls

Tags darauf machten wir uns mit viel Geduld und Ausdauer auf den Rückweg Richtung Drysdale River Station, wo wir unterwegs noch eine weitere Aborigine Sehenswürdigkeit anschauten. An Dutzenden von Steinen hatte es diverse Malereien und sogar Knochen von menschlichen Skeletten, von denen böse Zungen behaupten, dies seien Überreste von einer Person, die beim Malen eingeschlafen sei. Komischerweise waren diese Malereien nur schwer zu finden, da es vor Ort weder Informationstafeln noch Wege gab und die Kunstwerke auch nicht vor Witterung oder Vandalismus geschützt sind. Wir fragten uns häufig, ob die Aborigines dies nicht möchten oder die Australier einfach kein Interesse daran haben, alles etwas ansehnlicher zu präsentieren.

Höhlenmalereien der Aboriginies
Knochensammlung

Auch auf dem Rückweg meisterten wir die Fahrt durch den King Edward River problemlos

Zurück in Drysdale fragten wir einen der rund zwölf Angestellten, einen alten Mann mit langem weissem Bart und weissen Haaren, so etwa ein australischer Alpöhi, ein wenig über seinen Bauernhof aus. Wir fanden heraus, dass die Station mit 4000 km2 ungefähr doppelt so gross wie der Kanton St. Gallen ist und auf dieser Fläche ca. 8000 bis 9000 Kühe weiden. Die genaue Anzahl der Tiere wusste er nicht. Einmal im Jahr, sobald die Gibb River Road mit schweren Fahrzeugen befahren werden kann, werden die Rinder mit vier bis fünf Helikoptern zusammengetrieben, auf Roadtrains verladen und nach Broome gefahren, wo sie wiederum auf Schiffe verfrachtet, gemästet und dann in Indonesien geschlachtet werden. Danach machen sich die diversen Fleischprodukte wieder zurück auf den Weg nach Australien, wo sie als “Australian Meat” im Kühlregal verkauft werden. Janine beschloss, ab sofort wieder zu den Vegetariern überzusiedeln.

Auf den letzten Kilometern der Gibb River Road

Nach der Überquerung des mit Salzwasserkrokodilen bevölkerten Pentecost Rivers legten wir den nächsten Stopp in El Questro ein, einer unter amerikanischem Management sehr effizient vermarkteten riesigen Ranch. Anscheinend glauben viele Leute, El Questro sei das Einzige, was es in der Kimberley-Region zu sehen gäbe. Die vermögenden Kunden werden direkt ins Resort geflogen und einige Wasserfälle und andere Attraktionen sind nur per Heli zu erreichen. Die Zeebeedee Hot Springs zum Beispiel werden ab Mittag für das normale Fussvolk geschlossen, damit die besser betuchte Klientel die heissen Quellen alleine geniessen darf. Nun ja, zuerst war es für uns ziemlich gewöhnungsbedürftig, auf einmal wieder auf so viel Infrastruktur und so viele Touristen zu treffen. Man muss aber sagen, dass das Gebiet von El Questro wirklich wunderschön ist und Vieles auch zu Fuss und somit fast gratis erreicht werden kann. Natürlich machten wir auch Gebrauch von der Bar mit Livemusik, welche wir mit Katrin und Michael besuchten. Mit ihnen hatten uns bereits in Exmouth und Tom Price angefreundet, weil sie das selbe Fahrzeug wie wir gemietet haben, was zu allerlei Fachsimplereien führte. Auf dem Parkplatz der El Questro Ranch trafen wir die beiden dann wieder und tauschten bei einem gemeinsamen Bier unsere Reiseerfahrungen aus. Kaum waren Michael und Katrin abgereist, sahen wir zu Beginn der Wanderung in die El Questro Gorge Chrige und Römu, ein Berner Pärchen, welches wir bei den Mitchell Falls kennen gelernt hatten. Wir unternahmen die abenteuerliche Wanderung, bzw. war es eher fast eine Klettertour, zusammen und stellten fest, dass wir viele gemeinsame Interessen haben. Am Abend wagten wir uns noch auf die ausgeschilderten “experienced drivers only” Offroad-Tracks der Ranch, um die Aussicht von verschiedenen Lookouts zu bestaunen. Fazit: Es ist unglaublich, wo man mit unserem Landcruiser hoch- und auch wieder hinunter kommt! Sogar 50 cm hohe Steinstufen meistert der Wagen ohne Probleme, da konnte Janine nur noch die Augen schliessen und hoffen, dass wir irgendwie heil ankommen :-). Nun kann uns niemand mehr vorwerfen, nicht richtig Gebrauch vor unserem 4×4 gemacht zu haben.

Bad im Halfway-Pool in der El Questro Gorge
Über die Steine klettern mit Chrige und Römu

Eine weitere extrem schöne Sehenswürdigkeit war die Emma Gorge, wo es einen eiskalten Badepool mit Wasserfall gibt, der von senkrechten Klippen umrahmt wird. Was für eine wunderbare Abkühlung!

Abkühlung in der Emma Gorge
Campingplatz Freshie “George” (natürlich ganz ungefährlich)

Da wir uns mit Chrige und Römu so gut verstanden, beschlossen wir, zusammen zu den Bungles weiter zu reisen. Im Bungle Bungle, oder wie die Aborigines ihn nennen, Purnululu Nationalpark kann man sehr spezielle Kegelkarst-Berge anschauen, die aus über 360 Millionen altem Sandstein bestehen. Wir erreichten den als Weltkulturerbe deklarierten Nationalpark viel schneller als gedacht, denn für einmal war die Kiesstrasse in besserem Zustand als angekündigt. Janine entdeckte das Offroadfahren für sich und hatte Spass an der Durchquerung der vielen Bäche und an den engen Kurven.

Insgesamt erkundeten wir knapp drei Tage lang die “Bienenstöcke”, hohen Felsen und engen Schluchten und liefen alle ausgeschilderten Wanderungen ab. Dies fühlte sich ziemlich genau an wie in einem Backofen, da es unterwegs weder Schatten noch Wasser gab. Die Landschaften waren aber spektakulär und sind einzigartig auf der ganzen Welt. Abends genossen wir die Ruhe in den Bushcamps, kochten fein und gingen früh zu Bett, da das Wandern in der Hitze sehr anstrengend war und die Backofentemperatur in der Nacht von Eiseskälte abgelöst wurde.

Es sah aus wie auf einem Gletscher, jedoch war es einige Grad wärmer
Wie Bienenstöcke aussehende Sandsteinformationen
Cathedral Cove
Wandern im Purnululu (Bungle Bungle) Nationalpark

Sunset Lookout beim Kurrajong Campground

Nach zwei genialen Wochen voller Abenteuer und Buschromantik, welche zu einem der absoluten Highlights unserer Reise wurden, verabschiedeten wir uns nicht nur von Römu und Chrige, sondern auch von den Schotterstrassen und setzten unseren Weg in den Norden fort. Dazu im nächsten Blog dann mehr…

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